Es ist, das hatte die Staatsregierung zuletzt eingeräumt, juristisch dünnes Eis: Wölfe können in Bayern schon in Kürze leichter abgeschossen werden. Das dürfte aber noch nicht das letzte Wort sein.
Wölfe und auch Fischotter können in Bayern vom 1. Mai an leichter abgeschossen werden. Das hat das Kabinett wie angekündigt am Dienstag in München beschlossen, wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) anschließend mitteilte. Der Bund Naturschutz (BN) kündigte umgehend an, eine Klage gegen die Neuregelungen zu prüfen.
Beim Wolf ist laut Söder das Entscheidende: „Ein Riss reicht.“ Es brauche nicht mehr unzählige gerissene Tiere, sondern nur einen Riss. Dann könne in dem Gebiet eine „Entnahme erfolgen“. Es müsse auch nicht der eine Wolf ermittelt werden, der ein Schaf gerissen habe, es brauche kein langes Verfahren mehr. „Jetzt kann man die Wölfe dann generell in der Region entnehmen.“ Die Landratsämter bekommen künftig die Möglichkeit, über den Abschuss selbstständig zu entscheiden. Bislang waren dafür im Freistaat die Bezirksregierungen zuständig.
Das Umweltministerium erklärte, beim Wolf werde es „verfahrensmäßige Erleichterungen zur Vergrämung und Entnahme unter Wahrung der EU- und bundesrechtlichen Anforderungen“ geben. Vergrämung bedeutet das Vertreiben und Fernhalten von Tieren, mit Entnahme ist gemeinhin der Abschuss gemeint. Mit der Wolfs-Verordnung würden nun vereinfachte Ausnahmen für „verhaltensauffällige“ und „schadensstiftende“ Wölfe ermöglicht.
Verhaltensauffällige Wölfe sollen etwa dann abgeschossen werden dürfen, „wenn ein Wolf sich Menschen mit Hunden annähert und dabei ein aggressives Verhalten zeigt“. „Schadensstiftende“ Wölfe, die Nutztiere reißen, sollen in ausgewiesenen „nicht schützbaren Weidegebieten“ leichter abgeschossen werden dürfen. Das sind laut Ministerium Gebiete, bei denen Herdenschutzmaßnahmen nicht möglich oder nicht zumutbar sind, etwa Almen oder Alpen im Gebirge.
„Wir machen, was rechtlich möglich ist, um zentrale Ziele zu erreichen: Die Weidewirtschaft unterstützen und die Weidetiere schützen, Gefährdungen für den Menschen ausschließen und die Artenvielfalt im Alpenraum erhalten“, sagte Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) betonte: „Wir können nicht länger zusehen, wie die Rückkehr der Beutegreifer Wolf, Bär, aber auch der Fischotter die Nutztierhaltung und die Fischwirtschaft immer mehr zunichtemacht.“ Wölfe seien nicht bedroht, „aber unsere Weidetierhalter sind es bald, wenn nicht bald etwas passiert“, warnte sie. Man sei deshalb zum Handeln gezwungen.
Fischotter können laut Agrarministerium „zur Abwendung ernster fischwirtschaftlicher Schäden“ nun ganzjährig entnommen werden. „Die Entnahme ist allerdings nur möglich, wenn es dazu keine zumutbaren Alternativen gibt, etwa eine Einzäunung.“ Und sie solle nur dort zulässig sein, wo das Auftreten des Otters ein Problem darstelle, etwa in den Teichbaugebieten in Franken, der Oberpfalz und Niederbayern, und wo dies „unter Beachtung des Artenschutzrechts vertretbar ist“. Der Erhaltungszustand der Population dürfe nicht verschlechtert werden. In den Regionen soll deshalb eine Höchstzahl an Tieren festgelegt werden, die abgeschossen werden dürfen.
BN-Landeschef Richard Mergner kündigte an, man werde eine Klage prüfen, sobald die Wolfs-Verordnung vorliege. „Wenn der Riss an einem einzelnen Weidetier ausreicht, um mehrere Wölfe abzuschießen, heißt das nichts anderes, als den Landratsämtern einen Freischein auszustellen, den gesamten bayerischen Alpenraum wolfsfrei zu schießen.“ Die langjährigen Beteuerungen der Staatsregierung, dass man keine wolfsfreien Zonen beabsichtige, erwiesen sich als unwahr.
Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann sagte voraus, mit der Verordnung werde Söder „vor jeder gerichtlichen Instanz scheitern“. „Es interessiert ihn nicht, ob er mit seinem aktionistischen Vorgehen den bayerischen Tierhalterinnen und Tierhaltern wirklich helfen kann“, sagte er. „Söder geht es nicht um den Wolf, nicht um die Weidetiere, nicht um die Almbäuerinnen und -bauern – es geht ihm einzig und allein darum, im Wahljahr vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren, ganz egal, ob sie am Ende umsetzbar sind oder nicht.“ (dpa/lby)