Ein zehnjähriges Mädchen wird tot in einem Kinderheim gefunden. Jetzt steht ein 26-Jähriger wegen Vergewaltigung vor Gericht. Doch eine entscheidende Frage ist nicht Teil der Anklage.
Der Tod eines zehn Jahre alten Mädchens in einem Kinderheim im oberfränkischen Wunsiedel löste im vorigen Jahr große Bestürzung aus. Beschäftigte hatten das Mädchen am Morgen des 4. April 2023 tot in einem Bett des Heims gefunden. Wie die Ermittlungen der Polizei ergaben, wurde das Mädchen vergewaltigt.
Seit Donnerstag beschäftigt sich das Landgericht Hof mit dem Fall. Ein 26 Jahre alter Müllwerker steht wegen Vergewaltigung vor einer Jugendkammer des Gerichts – nicht aber wegen der Tötung des Mädchens. Die Ermittlungen der Polizei kamen im September 2023 zu dem Schluss, dass ein damals Elfjähriger das Mädchen getötet haben soll. Er kann strafrechtlich nicht belangt werden – soll nun aber als Zeuge aussagen.
Zum Beginn des Verfahrens legte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ab, das sein Verteidiger Maximilian Siller für ihn verlas. Aufgrund des großen medialen Interesses bereits vor Beginn des Prozesses sehe sich sein Mandant außerstande, die Einlassungen selbst vorzutragen, erklärte Siller. Während der Ausführungen seines Anwalts starrte der Angeklagte zu Boden, blickte nur auf, wenn er angesprochen wurde.
Angeklagter lebte einst selbst in dem Kinderheim
In der verlesenen Einlassung gab der Angeklagte an, er habe zur damaligen Zeit finanzielle Probleme gehabt und deshalb mehrere Einbrüche in der Region begangen. In der Nacht auf den 4. April sei er zu dem Kinderheim gegangen und durch ein offenes Fenster eingestiegen. Da er dort früher selbst für längere Zeit untergebracht gewesen sei, kenne er sich im Gebäude aus, gab der 26-Jährige an. Laut Anklage war er als Kind und später auch als Jugendlicher noch ein Mal dort untergebracht.
Weiter gab der Angeklagte an, er sei im Haus nach einer Weile auf den Elfjährigen getroffen, und der Junge habe ein Gespräch mit sexuellen Inhalten mit ihm begonnen. So habe der Junge gesagt, dass er schon Pornofilme gesehen habe und er ihm zeigen solle, wie man sich selbst befriedigt. Aus Furcht, sonst von anderen entdeckt zu werden, habe er das getan.
26-Jähriger räumt Vergewaltigung ein
Im weiteren Verlauf habe der Junge dann das zehn Jahre alte Mädchen dazu geholt und es in einem Zimmer auf ein Bett gedrückt. Anschließend vergewaltigte der Mann das Mädchen laut seinen Ausführungen und verließ dann fluchtartig das Heim. Den Tod des Mädchens habe er zu keinem Zeitpunkt gewollt – und den Jungen auch nicht zu der Tötung aufgefordert, gab der Deutsche an. Er bereue die Taten zutiefst. In Medienberichten war spekuliert worden, ob der Angeklagte den Jungen bedroht und ihn aufgefordert haben könnte, das Mädchen zu töten.
Staatsanwaltschaft und Polizei sind überzeugt, dass der heute Zwölfjährige das Mädchen bei einem Streit im weiteren Verlauf der Nacht stranguliert hat. Der Junge habe bei der Polizei widersprüchliche Angaben gemacht, sagte der Anwalt des Jungen, Michael Hasslacher, am Rande des Prozesses. Wie auch die Eltern des Mädchens ist der Junge Nebenkläger in dem Verfahren. Er gilt als Geschädigter, weil der Angeklagte sich vor ihm selbst befriedigt haben soll.
Die Staatsanwaltschaft habe die Aussagen des Jungen nicht für glaubwürdig gehalten, sagte Hasslacher. Das Tötungsdelikt sei deshalb nun nicht Teil der Anklage. Vom Prozess erhoffe er sich, wie auch die beiden anderen Nebenklagevertreter, Aufklärung in Bezug auf den Tod des Mädchens. „Ich denke, wir ziehen an einem Strang.“
Tod des Mädchens nicht Teil der Anklage
Auch wenn der Tod des Mädchens nicht Teil der Anklage ist, könnte der 26-Jährige dennoch für eine mögliche Beteiligung am Tod des Kindes verurteilt werden. Dazu wäre im weiteren Verlauf ein sogenannter rechtlicher Hinweis nötig. Mit Spannung wird deshalb die Aussage des Jungen erwartet. Er soll im weiteren Prozessverlauf unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen.
Im Zusammenhang mit dem Tod des Mädchens ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen „beteiligte Personen und Behörden“, wie ein Sprecher mitteilte. Gegen diese habe sich bislang aber kein Anfangsverdacht einer Straftat feststellen lassen. Ein Abschluss der Ermittlungen wird für Ende März erwartet.
Der 26-Jährige ist neben der Vergewaltigung auch wegen fünf Einbrüchen zwischen Mai 2022 und April 2023 angeklagt. Dabei soll er unter anderem Baumaschinen und Werkzeuge im Wert von rund 16.000 Euro gestohlen haben. In einem Fall soll er zudem einen Brand gelegt haben, um seine Spuren zu verwischen. Die Einbrüche räumte der Angeklagte vor Gericht ein, die Brandstiftung bestritt er.
Auf die Schliche gekommen waren ihm Ermittler anhand von DNA-Spuren an den Tatorten und Diebesgut, das sie bei ihm zu Hause fanden. Der Angeklagte hatte die Taten bereits während der Ermittlungen weitgehend eingestanden. Für den Prozess sind acht weitere Verhandlungstage bis Anfang März geplant. (dpa/lby)