„Menschenunwürdig“ wäre nach Ansicht des Sozialverbandes eine Verzögerung bei der Einführung des Bürgergeldes. Doch für CSU-Chef Söder ist das Gesetz nicht zustimmungsfähig, sondern ungerecht.
Nach der Bundestagsentscheidung für ein neues Bürgergeld geht der Streit um das Vorhaben der Ampel-Koalition weiter. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drohte mit einer Blockade des Gesetzes im Bundesrat und unterstrich damit die Haltung der Union: „Das Bürgergeld ist im Bundesrat so nicht zustimmungsfähig“, sagte der CSU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Unverständnis für eine mögliche Blockade äußerten dagegen der Sozialverband VdK und der Ostbeauftragte der Bundesregierung.
Zur Begründung sagte Söder: „Das Bürgergeld benachteiligt die unteren Einkommensgruppen, die hart arbeiten müssen: Kassiererinnen, Friseurinnen, Busfahrer, Polizeimeister, die jeden Tag versuchen, über die Runden zu kommen – und am Ende feststellen müssen, dass Nichtarbeiten annähernd so lukrativ ist wie Arbeiten. Das ist ungerecht“, sagte er.
Der Bundestag hatte am Donnerstag das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld mit der Mehrheit von SPD, Grünen und FDP auf den Weg gebracht. Insbesondere die Union hatte bereits im Vorfeld das Gesetz vehement abgelehnt, weil es dann keinen signifikanten Einkommensunterschied zwischen Menschen mit Bürgergeld und Geringverdienern gebe. Aus Sicht der Union senkt es zudem die Motivation, eine Arbeit anzunehmen.
Söder wirbt für eine Aufspaltung des Gesetzes
Die Ampel-Pläne für das Bürgergeld sehen unter anderem eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor. Arbeitslose sollen zudem künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt und dafür bei Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.
CDU und CSU hatten vorgeschlagen, die Erhöhung mitzutragen, sie aber aus dem Bürgergeld-Gesetz herauszulösen, damit sie als Einzelmaßnahme zum 1. Januar in Kraft treten kann. Die Ampel lehnt das ab.
Söder warb nun erneut für eine Aufspaltung des Gesetzes: „Dann könnten höhere Regelsätze schon jetzt beschlossen werden“, sagte er. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Ampel sich dem verschließt.“
Sozialverband: Blockade wäre „schäbig“
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, warnte vor einer weiteren Verzögerung. „Es wäre schäbig, wenn die Einführung des Bürgergeldes im Bundesrat weiter verzögert oder gar gestoppt würde“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Freitag).
Bentele verwies darauf, dass es bei den Hartz-IV-Regelsätzen wegen des geplanten Bürgergeldes keinerlei Anpassung mehr gegeben habe. Sieben Millionen Menschen in der sozialen Mindestsicherung wüssten nicht mehr ein noch aus, es wäre „menschenunwürdig“, sie noch länger warten zu lassen, sagte sie. „Das Bürgergeld muss kommen, und zwar wie geplant zum 1. Januar.“
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), warf der Union vor, „Geringverdiener gegen Bedürftige und Leistungsempfänger auszuspielen“. Gerade in Ostdeutschland würden nach seinen Worten viele Menschen von den neuen Bürgergeld-Regelungen profitieren. „Das ist ein unverantwortliches taktisches Spiel auf dem Rücken sehr vieler Menschen in Ostdeutschland“, sagte er der „Rheinischen Post“ mit Blick auf die Union. Das Bürgergeld schaffe für viele Langzeitarbeitslose in Ostdeutschland zudem „eine stabile Brücke in die Arbeitswelt“. (dpa/lby)