Weniger Besucher, viel weniger Bier, dafür Glühwein und entspannte Stimmung: So sieht die Bilanz des ersten Oktoberfests nach zwei Jahren Coronapause aus. Das Hauptmerkmal des Festes: viel Regen.
Ganz zum Schluss doch noch einmal Sonne – und dichtes Gedränge in Zelten und Gassen: Doch der letzte Besucherandrang am Tag der Deutschen Einheit konnte die Bilanz des Oktoberfests in München nicht mehr wenden. Bei Nässe und Kälte kamen zur ersten Wiesn nach zwei Jahren Corona-Zwangspause laut Festleitung rund 5,7 Millionen Besucher – mehr als eine halbe Million weniger als bei der letzten Wiesn vor der Pandemie im Jahr 2019. Damals waren es 6,3 Millionen.
Das Wetter sei das Haupthindernis für die Besucher gewesen, sagte am Montag Festleiter Clemens Baumgärtner (CSU) zum Abschluss des Festes. Er sprach vom schlechtesten Wiesn-Wetter seit 20 Jahren. Trotzdem habe die Wiesn ein entspanntes, gut gelauntes und junges Volksfestpublikum angezogen. „Die Wiesn ist wieder da.“
Es habe Debatten um Corona und Energieverbrauch gegeben, sagte Baumgärtner. Dies sah er aber wie Geldsorgen oder den Krieg in der Ukraine nicht als vordringliche Gründe für den Besucherrückgang. „Die Menschen wollen aller schlechten Nachrichten zum Trotz ihre Freiheit und ihren Spaß zurück haben.“ Dazu passe ein im Fundbüro abgegebenes Buch mit dem Titel „Glück gefunden“ – der Gast habe es wohl nicht mehr gebraucht. Wiesnhit wurde das wegen Sexismus umstrittene Lied „Layla“ – das die Wirte eigentlich gar nicht spielen wollten.
Weniger Gäste tranken auch weniger Bier: 5,6 Millionen Liter rannen durch die Kehlen (2019: 7,3 Millionen Liter). Dafür versuchten umso mehr Andenkenjäger, Krüge mitzunehmen: Ordner nahmen ihnen gut 112 500 Bierkrüge ab (2019: 96.900). Wegen des miesen Wetters hatte die Festleitung den Ausschank von Glühwein an Eisständen zugelassen, der aber nur mäßig Anklang fand. Viele hätten doch zum Eis gegriffen.
Vor allem die Schausteller hatten unter dem schlechten Wetter zu leiden. Bei strömendem Regen stiegen nur wenig Gäste in die Fahrgeschäfte. Die Schausteller-Bilanz wolle er gar nicht erst schönreden und auch der Straßenverkauf habe nicht das gebracht, was er bringen sollte, sagte Baumgärtner. Die Biergärten seien bei „Schnürlregen“ schlecht besucht gewesen, zudem hatten die Wirte zum Gassparen auf Heizpilze draußen verzichtet. Der Gas-, aber auch der Strom- und Wasserverbrauch auf dem Fest gingen zurück.
Wie immer feiert die Prominenz an den 17 Festtagen mit, doch auch hier war etwas Zurückhaltung zu spüren. Am zweiten Wochenende waren der Schauspieler Arnold Schwarzenegger mit Freundin und Söhnen dabei. Gesehen wurden auch Elyas M’Barek und seine Frau Jessica, Ludwig Prinz von Bayern, Thomas Gottschalk und Lothar Matthäus.
Das Fest präsentierte sich münchnerischer – und jünger. Während der Besucheranteil aus dem Ausland etwas sank, kamen mehr Gäste aus dem Münchner Umland, und sie waren im Schnitt jünger. Das zeigte auch eine Auswertung von anonymisierten und aggregierten Daten des Mobilfunkanbieters O2 Telefonica. Danach kamen 77 Prozent der Besucher aus München und angrenzenden Landkreisen; knapp 16 Prozent reisten aus dem Ausland an, vor allem aus Großbritannien und den USA.
Corona spielte für diejenigen, die zum Fest kamen, dem Anschein nach keine größere Rolle. Masken sah man äußerst selten. Dabei mag es bei manchen nach dem Festbesuch geheißen haben: Ogsteckt is. Wie erwartet schnellte die Inzidenz hoch. Am Freitag lag sie in der Stadt München bei 792,8, am Montag bei 766,8. Das war im Vergleich zum Freitag vor zwei Wochen, dem Tag vor Wiesn-Start, fast eine Vervierfachung.
Polizei, Feuerwehr und Sanitätsdienst berichteten von einer sehr ruhigen Wiesn. Die Aicher Ambulanz verzeichnete auf ihrer Sanitätsstation 27 weniger Einsätze – und konnte sogar Patienten aus anderen Teilen Münchens aufnehmen, die in Krankenhäusern nicht unterkamen. Rund 200 Mal sei der Computertomograph zum Einsatz gekommen, der erstmals auf dem Volksfest stand.
Trotz des geringeren Bierkonsums wurden 45 Prozent der Patienten wegen einer Intoxikation in die Sanitätsstation gebracht. Diese war erstmals auch nachts offen, um Bier-Opfer nicht in ohnehin belastete Kliniken bringen zu müssen. Es habe 355 „Übernachtungspatienten im sogenannten „Hotel Aicher“ gegeben“, sagte Einsatzleiter Michel Belcijan.
Maßkrugdiebstähle, Maßkrugschlägereien, sonstige Schlägereien und sonstige Diebstähle beschäftigten wie stets die Polizei, ebenso sexuelle Übergriffe, darunter auch Filmen unter das Dirndl. Von 55 Taten wurden zwei als Vergewaltigung gewertet, eine weitere als versuchte Vergewaltigung. Sorgen bereitete den Beamten der Anstieg der Taschendiebstähle um rund 50 Prozent. Auch gab es mehr Aggressionen gegen Beamte. Polizeisprecher Andreas Franken sprach dennoch insgesamt von einem friedlichen Verlauf.
Nach den von der Festleitung seit 1999 dokumentierten Zahlen kamen 2001 nach den Anschlägen vom 11. September mit 5,5 Millionen noch weniger Gäste als dieses Jahr. 2016 besuchten das Fest nach einem islamistischen Drohvideo 5,6 Millionen, der zweitschlechteste Wert. Auch nur 5,7 Millionen Besucher kamen im Jahr 2009.
Deutlich weniger Zulauf hatte dieses Jahr vor allem die traditionellere Oide Wiesn mit historischen Fahrgeschäften. Dort kamen mit 230.000 Gästen nicht einmal halb so viele wie 2019. (dpa)