Ein Mann attackiert in einem Zug offensichtlich wahllos Menschen. Vieles sieht zunächst nach der Tat eines Kranken aus. Doch mittlerweile ergibt sich ein anderes Bild.
Gut vier Monate nach einer Messerattacke in einem ICE zwischen Regensburg und Nürnberg gehen die Ermittler von einer islamistisch-extremistischen Tat aus. Wegen der besonderen Bedeutung des Falles hat der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen übernommen, wie ein Sprecher der Behörde sagte. Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ (Montag) berichtet. Die Ermittler gehen seit geraumer Zeit davon aus, dass der Verdächtige bei der Attacke im November 2021 schuldfähig war. Der damals 27-Jährige hatte vier Männer im Alter zwischen 26 und 60 Jahren verletzt.
Der Mann sitzt in Untersuchungshaft. Die Ermittler hatten nach der Tat bei ihm etwa Propagandavideos der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) entdeckt. Bisher war unklar, ob eine extremistische Motivation bei der Attacke eine Rolle gespielt haben könnte. Nun hat die Generalbundesanwaltschaft nach eigenen Angaben „gravierende Anhaltspunkte für einen islamistischen Hintergrund“. Dem Mann werden unter anderem versuchter Mord in zwei Fällen, versuchter Totschlag sowie vorsätzliche Körperverletzung vorgeworfen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass der 27-Jährige das westliche, freiheitlich-demokratische Staats- und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik ablehnt. Er missachte alle Deutschen und wolle nur mit anderen „rechtgläubigen“ Muslimen in einem an der Scharia ausgerichteten Staat zusammenleben. Das habe sich unter anderem aus Aussagen von Zeugen ergeben, die mit dem Mann bekannt gewesen seien.
Wie es weiter hieß, wurde bei ihm außerdem Propagandamaterial der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gefunden, in dem auch zu Anschlägen aufgerufen worden sei. Auch der Verdächtige selbst sei in sozialen Medien aufgetreten. Er soll allerdings nicht organisatorisch in die Struktur des IS eingebunden gewesen oder von diesem gesteuert worden sein.
Kurz nach dem Angriff vom 6. November war ein Gutachter zunächst noch davon ausgegangen, dass der Verdächtige zur Tatzeit schuldunfähig gewesen sein könnte. Er war daraufhin in einem Bezirksklinikum untergebracht worden. „Ich bin krank. Ich brauche Hilfe“ – so soll sich der Mann bei seiner Festnahme sinngemäß geäußert haben. Paranoide Schizophrenie stand im Raum.
Dennoch übernahm die bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelte Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) die Ermittlungen. Das geschieht immer dann, wenn bei einem Verfahren mit größerer Bedeutung eine extremistische oder terroristische Motivation denkbar ist.
Nachdem ein weiterer Sachverständiger den Angaben nach zur Einschätzung gekommen war, dass der Verdächtige in seiner Schuldfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen sei, wurde dieser im Januar 2022 in eine bayerische JVA verlegt.
Der Verdächtige hatte sich nach der Attacke im ICE Passau-Hamburg widerstandslos festnehmen lassen. Bei ihm fanden Polizisten ein blutverschmiertes Klappmesser mit einer Klingenlänge von acht Zentimetern. Der Mann wohnte nach früheren Angaben der Behörden seit seiner Einreise im Jahr 2014 durchgehend in Niederbayern. 2016 wurde er als Flüchtling anerkannt. (dpa)