Polizei hofft im Fall Sonja Engelbrecht auf neue Hinweise

Exakt drei Jahrzehnte sind es her, dass eine junge Münchnerin verschwand. Ihre Leiche wurde erst vor drei Jahren gefunden – samt DNA-Spuren und einer markanten Decke. Führt sie zum Täter?

© Foto: Peter Kneffel/dpa

Das junge Liebespaar sitzt von Pflanzen umrahmt auf einer Parkbank, er zieht sie am Kinn zum Kuss heran: Eine blau-schwarze Decke mit diesem auffälligen Scherenschnitt-Motiv lag bei der ermordeten Münchnerin Sonja Engelbrecht in einer Felsspalte, als die Leiche der vor 30 Jahren verschwundenen 19-Jährigen im März 2022 endlich gefunden wurde. Um dem mutmaßlichen Sexualmörder auf die Spur zu kommen, hoffen die Ermittler weiterhin auf Hinweise aus der Bevölkerung.

In der Region um den Fundort der Leiche in Kipfenberg im Landkreis Eichstätt werde ein neues Fahndungsplakat verteilt, auch seien weitere Befragungen geplant, kündigten die Verantwortlichen des Polizeipräsidiums München am Jahrestag des Verschwindens an. Die Ermittlungen konzentrieren sich wegen des abgelegenen Fundorts in einem weitläufigen Waldgebiet auf Menschen mit Ortsbezug zur Region Ingolstadt/Eichstätt. „Da geht man nicht zufällig vorbei“, betonte der Leiter der Münchner Mordkommission, Armin Ritterswürden.

War es ein Einheimischer, ein Urlauber oder Bauarbeiter?

Diese Ortskenntnis müsse heute aber nicht mehr offensichtlich sein. Möglich sei etwa, dass der oder die Täter früher in der Region gewohnt, gearbeitet oder auch nur Urlaub gemacht hätten und inzwischen ganz woanders lebten. Deshalb seien auch Hinweise nur zu der sehr auffälligen Decke aus Polyacryl oder auch andere Erinnerungen hilfreich. „Einzelne Mosaikteile reichen uns. Wenn zum Beispiel jemand jemanden kennt, der vielleicht so eine Decke, aber keinen Ortsbezug zu Kipfenberg hatte, dann wollen wir das auch wissen“, betonte Ritterswürden.

Engelbrechts Leiche war zudem in Müllsäcke und Planen verpackt, die zu Bau- oder Renovierungsarbeiten verwendet worden und mit Malerfarbe beschmiert waren. Die Ermittler gehen daher davon aus, dass der Täter im Jahr 1995 entweder privat renoviert oder gebaut hat oder beruflich in diesem Bereich tätig war. 10.000 Euro sind als Belohnung für zielführende Hinweise ausgelobt.

Mit den neuen Geburtstagskleidern losgezogen

Exakt 30 Jahre sind es her, dass ihre Familie Sonja Engelbrecht zum letzten Mal gesehen hat. Die schwarze Hose, die sie an diesem Abend trug, hatte sie sich von ihrem Geburtstagsgeld gekauft, die neue Lederjacke hatte ihr die Oma geschenkt. Denn erst wenige Tage zuvor hatte die junge Frau ihren 19. Geburtstag gefeiert. Sie brach an jenem 10. April 1995 auf, um sich mit einem Freund zu treffen. Nachdem dieser sich in der Nacht gegen 2.30 Uhr an der Straßenbahnhaltestelle Stiglmaierplatz von ihr verabschiedet hatte, verschwand Engelbrecht spurlos.

Erst im Sommer 2020 entdeckten Forstarbeiter einen Oberschenkelknochen im Wald, im März 2022 dann wurde nach intensiver Suche gute 300 Meter entfernt endlich das Skelett der Vermissten in der Felsspalte entdeckt. Seither ist klar, was vorher bereits traurige Vermutung war: Die junge Frau wurde Opfer eines Verbrechens.

DNA-Material gesichert

„Der Leichnam der Verstorbenen war nackt, wir gehen von einem Sexualverbrechen aus, von einem Sexualmord“, betonte Ritterwürden. Die Ermittler sehen durchaus noch Chancen, dem Täter trotz der langen Zeit auf die Spur zu kommen. „Wir verfügen über DNA-Material, das wir bei der Leiche finden konnten und das aus unserer Sicht tatrelevant ist.“

Mehr wissen die Ermittler über den Täter bislang nicht – außer, dass er damals relativ kräftig gewesen sein muss, um die Leiche mindestens 200 Meter zu Fuß zu dem Versteck zu schleppen. Das hat der stellvertretende Leiter des Kommissariats 11, Mathias Heidtmann, am eigenen Leib erfahren: Der durchtrainierte Ermittler schleppte einen Dummy mit dem Gewicht Engelbrechts durch das unwegsame Gelände dorthin. (dpa)