Am Donnerstag sollen die Koalitionsverhandlungen in Bayern beginnen. Sie sollen nur zweieinhalb Wochen dauern. Bevor es aber überhaupt losgehen kann, setzt die CSU die Freien Wähler massiv unter Druck.
Wie schnell sich die Zeiten ändern können: Kurz vor dem Start der Koalitionsverhandlungen in Bayern hängt der Haussegen zwischen CSU und Freien Wählern schon wieder bedenklich schief. Obwohl CSU-Chef Markus Söder seit Monaten die Fortsetzung der Regierung beschwört, stellte er Hubert Aiwanger und seiner Partei am Dienstag ein in seiner Deutlichkeit durchaus überraschendes Ultimatum: Bis Donnerstag erwarte er ein klares Bekenntnis der Freien Wähler zu deren politischem Kompass und Demokratieverständnis.
„Es ist im Wahlkampf viel passiert. Einfach Schwamm drüber oder „Schau’n wir mal“ reicht nicht aus“, sagt Söder nach der ersten Sitzung der CSU-Fraktion im Landtag. Es müsse geklärt werden, ob die Freien Wähler weiter auf Stabilität setzten und „fest im demokratischen Spektrum verankert“ seien oder ob es andere Tendenzen gebe. „Sonst wäre das ein Problem.“ Es gehe um die Integrität der Staatsregierung, daher müsse das Bekenntnis möglicherweise in einer Präambel des Koalitionsvertrages verankert werden.
Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl nannte die Forderung „verstörend“. Die Freien Wähler hätten kein Problem damit, ein solches Bekenntnis abzugeben. Eigentlich müssten CSU und Söder das aber wissen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Schließlich regieren wir seit fünf Jahren gemeinsam.“
Ohne es auszusprechen dürfte Söder das Bekenntnis auch wegen der Flugblatt-Affäre Aiwangers einfordern. Wenige Wochen vor der Wahl hatte ein hetzerisches Kampfblatt aus Aiwangers Schulzeit die Regierung in eine Krise gestürzt. Erst nachher hatte sich Aiwangers Bruder als Autor des Papiers vor mehr als 35 Jahren bekannt. Schon im Juni hatte Aiwanger mit einer rechtspopulistischen Aussage zur Lage der Demokratie ebenfalls für Verwerfungen mit der CSU gesorgt.
Der soeben frisch gewählte neue CSU-Fraktionschef im Landtag, Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek, wurde sogar noch deutlicher: „Es wäre fatal, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen. Es würde auch keine gute Basis legen für zukünftiges Regierungshandeln, sondern wir müssen jetzt uns an den Tisch sitzen, mal in die Augen schauen und mal Klartext reden.“
Damit haben Holetschek und Söder unmittelbar vor den ohnehin sicher nicht einfachen Koalitionsverhandlungen eine neue Hürde aufgestellt, die man als erste Konsequenz des Rekord-Wahlergebnisses der Freien Wähler vom vergangenen Sonntag sehen kann: Anders als in der letzten Legislatur will die CSU nicht mehr der reinen Harmonie wegen die Freien Wähler machen lassen, was sie wollen.
Konkret sprechen müsse man etwa über Aussagen der Freien Wähler im Wahlkampf, wo bei manchen Terminen gegen die eigene Regierungsarbeit gewettert worden sei, als spreche ein Oppositionspolitiker. Diese Kritik ist alles andere als neu – nur bisher hatte die CSU eine offene Auseinandersetzung gescheut. Laut Holetschek sei die grundlegende Klärung vielen in der 85-köpfigen Fraktion ein wichtiges Anliegen, ebenso gebe es auch noch „einige Dinge aus der letzten Wahlperiode“ zu klären. Die Freien Wähler könnten nicht sagen, was andere Ministerien tun sollten, sondern müssten jetzt „mal selbst auch entsprechende Leistungen“ bringen.
Wann und wie die internen Gespräche mit den Freien Wählern konkret ablaufen, wollten Söder und Holetschek nicht sagen. Ihnen ging es am Dienstag eher um eine erste Duftmarke und die Ansage, dass die CSU – gerade auch die Landtagsfraktion – die Freien Wähler künftig nicht mehr mit jenen Samthandschuhen anfassen will, wie man zuletzt parteiintern auch Söder vorgeworfen hatte. Kritiker sehen im zu engen Umgang mit den Freien Wählern auch einen Grund, warum diese jetzt zweitstärkste Kraft im Landtag sind.
Nach der Wahl hatte Aiwanger am Montag ein viertes Ministerium für seine Partei gefordert und zugleich die CSU vor einer Abgrenzung von den Freien Wählern gewarnt. „Jede Abgrenzung von uns bedeutet eine Abkehr vom gesunden Menschenverstand“, sagte er. „Ich würde der CSU empfehlen, jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten.“ Söder betonte am Dienstag erneut, dass dies kein „gelungener Start“ gewesen sei. Er habe erwartet, dass nach der Wahl versöhnlichere Töne angeschlagen würden und nicht „der Bierzeltmodus“ (Holetschek) anhalten werde.
Ungeachtet des schlechten Starts nach der Wahl gab sich Söder zuversichtlich, die Koalitionsverhandlungen dann binnen zweieinhalb Wochen abschließen zu können: nämlich in der Woche vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags am 30. Oktober. Und wenn möglich solle dann bereits am Tag darauf, also am 31. Oktober, die Ministerpräsidenten-Wahl im Parlament sein.
Mit Blick auf die zu vergebenden Ministerposten mahnte Söder zu Gelassenheit. Über das Personal werde wie immer erst „ganz am Ende“ entschieden. „Deswegen mein Rat, man qualifiziert sich am besten für Ämter, wenn man überzeugende Argumente in der Sache hat.“ (dpa)