Wie umgehen mit mittelalterlichem Antisemitismus an historischen Gebäuden? Sollen judenfeindliche Darstellungen ganz entfernt oder nur Erläuterungstafeln angebracht werden? Regensburg will die «Judensau» am Dom nicht verbannen – eine neue Infotafel soll aufklären.
Nach einem jahrzehntelangen Streit um die sogenannte Judensau am Regensburger Dom soll künftig eine neue Infotafel über die antisemitische Skulptur aufklären. „Die Beteiligten haben gemeinschaftlich einen Weg der Auseinandersetzung mit diesem historischen Erbe gefunden, der als „Regensburger Weg“ Vorbild für die Auseinandersetzung mit ähnlichen Schmähplastiken sein kann“, sagte Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Montag bei der Enthüllung. „Die Skulptur soll alle Menschen mahnen, gegen jede Form von Propaganda, Hass und Ausgrenzung vorzugehen“, betonte der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU).
Die umstrittene Regensburger Steinskulptur stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und ist in mehreren Metern Höhe an der Fassade der Kathedrale zu sehen. Die in Richtung des damaligen jüdischen Viertels gerichtete Darstellung zeigt ein Schwein, an dessen Zitzen Juden saugen. Mit solchen Reliefs wurde im Mittelalter Hass gegen jüdische Mitbürger geschürt. Nach Angaben der Stadt Regensburg gibt es in Europa in 48 Orten solche Schmähungen. In Bayern betrifft dies auch die Kirche St. Sebald in Nürnberg und die Cadolzburg in Mittelfranken.
Aufgrund der Diskussionen um die Regensburger „Judensau“ wurde bereits Mitte der 2000er Jahre eine Textplatte unterhalb der Skulptur angebracht. Die damalige Erläuterung wurde aber schon damals als unzureichend kritisiert. Spaenle hat nun zusammen mit Verantwortlichen der jüdischen Gemeinden, der christlichen Kirchen und staatlicher Stellen eine neue Informationstafel erarbeitet.
Damit soll die „Judensau“ besser historisch erläutert werden und klar gemacht werden, dass sich der Freistaat Bayern als Eigentürmer des Kirchenbaus und das katholische Bistum Regensburg als Nutzer von der judenfeindlichen Darstellung distanzieren. Auf der Tafel heißt es: „Mit dieser menschenverachtenden Propaganda wurden Jüdinnen und Juden zu Feinden des Christentums erklärt. So wurde über Jahrhunderte Hass gegen sie geschürt. Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zum Mord waren die Folge.“ Besucher können sich durch einen QR-Code vor Ort zudem weitere Informationen auf ihr Smartphone holen.
Manche Kritiker der Schmähskulpturen fordern, die historischen Hassbotschaften von den Denkmälern ganz zu entfernen. So gibt es einen entsprechenden Rechtsstreit um die „Judensau“ an Luthers Predigtkirche in Wittenberg. Der Bundesgerichtshof hatte aber im vergangenen Jahr entschieden, dass die ebenfalls mit einem erläuternden Text versehene Darstellung erhalten bleiben darf. Der Fall liegt nun beim Bundesverfassungsgericht. (dpa/lby)