«Marianengraben» mit Edgar Selge – Romanverfilmung mit Humanität und Humor

In dem Film «Marianengraben» findet Edgar Selge als alter Griesgram eine späte Freundschaft mit einer jungen Frau, die wie er selbst von Schuldgefühlen geplagt ist.

 

Trauer ist ein starkes Gefühl. Auch Schuld kann überwältigend sein. Sei sie nun begründet oder nicht. In Eileen Byrnes Film «Marianengraben» treffen zwei an der Seele versehrte Menschen aufeinander. Am Grab ihres kleinen, bei Triest im Meer ertrunkenen Bruders trifft Paula (Luna Wedler) den alten Griesgram Helmut (Edgar Selge). Sie hilft ihm die Urne seiner verstorbenen Frau auszugraben. Und auf einmal finden sich beide in einem Campingbus in Richtung Italien wieder. Es ist der erste Langfilm der jungen Regisseurin Eileen Byrne, die auch das Drehbuch nach dem Erfolgsroman der Bestsellerautorin, Biologin und Bloggerin Jasmin Schreiber verfasst hat.

Viele positive und berührende Momente 

Es wird ein Roadtrip, der zwar von letzten Dingen handelt, aber trotzdem viele positive und berührende Momente hat – und das, obwohl sich die beiden ungleichen Reisenden immer wieder zusammenraufen müssen. Die von Luna Wedler («Je suis Karl», «Das schönste Mädchen der Welt») gegebene Paula hat ihr Studium der Meeresbiologie abgebrochen und kämpft gegen Depressionen.

Die Rolle des Helmut spielt der erfahrene, aus Theater und Film bekannte Edgar Selge («Polizeiruf 110», «Unterwerfung»). Ihn habe das Existenzielle des Stoffes gereizt, das in dem Drehbuch ungeschützt, quasi ohne Haut daliege, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Rahmen des Filmfestes Hamburg. 

«Beide haben einen geliebten Menschen verloren, beide leiden unter Schuldgefühlen, die ihnen den Zugang zur Trauer erschweren. Beide befinden sich in einem Tunnel von Selbstvorwürfen und wollen in ihren Gedanken nicht gestört werden», sagte der 76-Jährige. 

Empathie als Möglichkeit zur Selbstheilung

«Die gemeinsame Reise in diesem Film lässt sie erkennen, wie sehr der jeweils andere ein Spiegelbild der eigenen Verzweiflung ist», führt Selge aus. «Trotz des großen Altersunterschiedes beginnen sie, sich für einander zu interessieren und begreifen, dass in der Empathie für den anderen die einzige Möglichkeit zur Selbstheilung liegt.»

Auch Helmut, unterwegs mit einem verhaltensgestörten Hund, hat einen Sohn verloren und glaubt sich schuldig an seinem Tod. Konflikte führen immer wieder zum Bruch zwischen den Reisenden, aber ein Gefühl von Verantwortung hält sie aneinander fest. «Ihre gegenseitige Unterstützung entwickelt sich letztlich zu einer vitalen, lebensbejahenden Energie», findet Selge. 

Im Buch sei seine Figur eher als Typ harte Schale, weicher Kern gekennzeichnet gewesen - Selge hat versucht, sich davon zu entfernen. «Das ist ein alter, krebskranker Mann, der sich auf seinen Rückzug aus dem Leben konzentriert. Die Studentin Paula, die ihm begegnet, passt im Grunde überhaupt nicht in seine Planung» so Selge. 

«Aber die Vorstellung, dass so ein junger, begabter Mensch neben ihm ebenfalls mit seinem Leben abgeschlossen hat, rüttelt ihn auf und fordert ihn heraus. Er muss seine wortkarge Einsamkeit hinter sich lassen, sich für Paulas Geschichte interessieren und dabei von sich selbst erzählen.» 

Viel Humor trotz des ernsten Themas

Es steckt viel Humanität in diesem Film – und erstaunlich viel Humor. «Humor hilft, einen Blick für sich selbst zu bekommen, für die eigene Verschrobenheit, für die eigenen Lebenslügen. Humor für sich selbst kann die eigene Verzweiflung relativieren», sagte Selge. Er schätzte an der jungen Regisseurin die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. «Für mich ist es ein Film über die Notwendigkeit von Kommunikation über die Grenzen der Generationen hinweg, es ist ein Film gegen das Alleinsein. Gegen Einsamkeit und Depression.»

Die Sorge, dass der Film zu schöne Bilder produziere angesichts der Dreharbeiten in Luxemburg und Tirol, hatte er bald nicht mehr. «Ich denke, dass die Bilder nicht so sehr touristische Reiselust wecken, sondern eher zeigen, wie klein und verloren der Mensch in dieser Landschaft ist.» 

Für den 76-Jährigen ist das Spiel noch immer ein Geschenk. «Anhand von Geschichten dramatische Situationen durchzuspielen, ist die Lebensform, die für mich die passendste ist. Es ist auch ein Luxus, wenn man auf diese Weise über sich nachdenken kann.» (dpa)