Nach dem blamablen WM-Aus der Männer retten auch die so lange erfolgsverwöhnten Fußballerinnen die Stimmung beim DFB nicht. Alexandra Popp und Co. müssen vorzeitig die lange Heimreise antreten.
Fassungslos blickte Alexandra Popp ins Leere und schüttelte immer wieder den Kopf.
Die deutschen Fußballerinnen haben in Australien die größte Blamage ihrer Historie erlebt und sind ein gutes halbes Jahr nach den DFB-Männern in Katar ebenfalls schon in der Vorrunde einer Weltmeisterschaft ausgeschieden. Das Team von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg legte gegen Südkorea einen völlig fahrigen Auftritt hin und kam nur zu einem 1:1 (1:1). Damit musste die DFB-Auswahl Marokko (1:0 gegen Kolumbien) in der Gruppe H vorbeiziehen lassen und flog als Tabellendritter aus dem Turnier.
„Um ehrlich zu sein, ist es noch gar nicht zu begreifen“, sagte die sichtlich geschockte Popp im ZDF. „Ich kann noch gar nicht so ganz verstehen, was hier gerade abgeht.“ Auch der vierte Turniertreffer der Kapitänin war vor 38.945 Zuschauern in Brisbane zu wenig. Popp hatte mit ihrem vierten Turniertor (42. Minute) die südkoreanische Führung durch So-Hyun Cho (6.) ausgeglichen. Nach dem 6:0 gegen Marokko und dem 1:2 gegen Kolumbien fiel den deutschen Frauen gegen den Außenseiter aus Asien lange wenig ein.
Deutschland startet mit neuer Doppelspitze
„Es war heute eine große Verunsicherung zu spüren zum Teil“, sagte Voss-Tecklenburg. „Am Ende muss man sagen, hat unsere Leistung nicht ausgereicht. Es ist im Endeffekt zu wenig gewesen.“ Statt im Achtelfinale gegen Frankreich oder Jamaika zu spielen, muss das Team nach Hause fliegen. Es ist das bisher schlechteste Abschneiden bei neun WM-Turnieren. Vor vier Jahren in Frankreich scheiterte Deutschland im Viertelfinale an Schweden. 2003 und 2007 holten die DFB-Teams den Titel, was auch dieses Mal das Ziel war.
„Was für ein Drama! Manchmal steckt einfach der Wurm drin. Kopf hoch“, schrieb Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf Twitter. Abwehrchefin Marina Hegering vergoss Tränen der Enttäuschung. Voss-Tecklenburg versuchte, ihr geknicktes Team in einer ersten Ansprache direkt nach dem Schlusspfiff aufzubauen. Anschließend saß die Bundestrainerin ganz alleine fassungslos auf der Trainerbank. „Dem müssen wir uns stellen, in erster Linie mit meiner Person“, sagte sie über das blamable frühe Aus. Schnelle Konsequenzen zog Voss-Tecklenburg, die im April ihren Vertrag bis 2025 verlängert hatte, jedoch nicht.
Die 55-Jährige hatte gegen Südkorea umgestellt und erstmals bei dieser WM die Stürmerinnen Popp und Lea Schüller gemeinsam von Beginn an gebracht. Die Münchner Mittelfeldspielerin Lina Magull musste dafür auf der Bank Platz nehmen. Wie beim Kolumbien-Spiel, als die Fans der Caféteras das Stadion in Sydney in einen Hexenkessel verwandelten, waren die deutschen Fans auch in der längst nicht ausverkauften Arena von Brisbane erst mal ziemlich still.
Südkoreanerinnen drücken früh – und sind erfolgreich
Südkorea begann unter Coach Colin Bell, der mit dem 1. FFC Frankfurt 2015 die Champions League gewann, mutig. Schon in der dritten Minute musste Torhüterin Merle Frohms mit einer Glanztat den frühen Rückstand verhindern. Beflügelt von dieser vielversprechenden Aktion griffen die Südkoreanerinnen weiter an. Als Kathrin Hendrich das Abseits aufhob, war Cho durch und schob diesmal zur Führung ein. Da war auch Hegering machtlos: Die Abwehrchefin gab nach einer langwierigen Fersenverletzung ihr Turnierdebüt. „Wir waren geschockt und haben zu wenig Spielruhe gehabt“, sagte Voss-Tecklenburg über das 0:1.
Und der Angriff? Die Vize-Europameisterinnen suchten mit Flanken die kopfballstarken Popp und Schüller, fanden sie aber selten. Klara Bühl vergab in der Anfangsviertelstunde zwei vielversprechende Chancen – ansonsten gab es einen Ballverlust nach dem anderen im Aufbauspiel. Auch Spielmacherin Sara Däbritz fand in ihrem 100. Länderspiel keine Lücken.
Aluminium und Abseits-Pech für Popp
Zu allem Übel musste nach einer guten halben Stunde Frohms behandelt werden, konnte aber weitermachen. Dafür gelang zumindest noch vor der Pause der Ausgleich: Popp schraubte sich nach einer Flanke von Svenja Huth hoch und erzielte ihr drittes Kopfballtor bei dieser WM. „Tatsächlich kommen wir heute nicht gut ins Spiel. Die ersten zehn Minuten haben wir uns sehr schwergetan, waren unkonzentriert, haben unnötige Fehler gemacht“, sagte Joti Chatzialexiou, Leiter Nationalmannschaften beim DFB, zur Halbzeit.
Und für das Team von Voss-Tecklenburg ging es nach der Pause denkbar unglücklich weiter: Ein weiteres Kopfballtor von Popp nach artistischer Hackenvorlage Schüllers wurde wegen Abseits nicht gegeben (57.). Nach einer Behandlungspause köpfte die angeschlagene Spielführerin wenige Minuten später auch noch an die Latte. Am Ende sanken die deutschen Spielerinnen fassungslos auf den Rasen. (dpa)