Auch Anti-Folter-Kommission sieht Mängel in Skandal-JVA

Die Misshandlungsvorwürfe gegen Beamte des Gefängnisses bei Augsburg werden die Justiz noch lange beschäftigen. Nun gibt es auch eine lange Kritik-Liste von bundesweit tätigen Kontrolleuren.

Nach dem Bekanntwerden von Misshandlungsvorwürfen gegen Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Augsburg-Gablingen sieht die deutsche Anti-Folter-Kommission schwerwiegende Versäumnisse in dem Gefängnis. Dies geht aus einem Bericht über einen unangekündigten Besuch der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter im August 2024 in der JVA hervor. Die Kommission sieht neben anderen Mängeln einen unzureichenden Hofgang für Insassen in speziellen Hafträumen sowie eine Verletzung der Intimsphäre in diesem Bereich.

Die Kommission untersucht das gesamte Gefängnis, aber in erster Linie die Situation in den sogenannten Besonders gesicherten Hafträumen (BGH), in denen vorübergehend suizidgefährdete oder aggressive Häftlinge untergebracht werden. In diesen Zellen, im Jargon Bunker genannt, gibt es kaum Ausstattung, die Gefangenen werden auch weitgehend entkleidet und per Video permanent überwacht, sogar auf der Toilette. Die Kommission stützt sich nicht nur auf den Vor-Ort-Termin, zudem wurden JVA-Unterlagen ausgewertet. Für das Jahr 2024 seien dies 40 Dokumentationen zu BGH-Unterbringungen gewesen.

Bereits bekannt war, dass bei der Kontrolle der Anti-Folter-Kommission möglicherweise von JVA-Bediensteten Mängel vertuscht wurden. Denn die Kommission kritisiert, dass sie nicht unverzüglich die relevanten Zellen besichtigen konnte, sondern zunächst einmal etwa 20 Minuten warten musste. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Justizvollzugsbeamte die Zeit genutzt haben, um Verstöße gegen Vorschriften zu verschleiern. So könnten für die Kontrolle fehlende Matratzen, Decken und Unterhosen in den Zellen verteilt worden sein.

Völlig nackt oder nur mit durchsichtiger Unterhose

Die Anti-Folter-Kommission kritisiert, dass einige Häftlinge in Gablingen völlig nackt in den Sicherheitsräumen ausharren mussten. „Diese Verfahrensweise stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen und eine Verletzung der Menschenwürde dar“, heißt es in dem 13-seitigen Bericht. Normalerweise sollten die Gefangenen wenigstens Papierunterwäsche bekommen. Wobei die Kommission auch bemängelt, dass diese Unterhosen durchsichtig seien. Diesbezüglich hat das bayerische Justizministerium nun die Anschaffung von blickdichter, dunkler Einwegwäsche zugesagt.

Die Kommission hat auch festgestellt, dass Gefangene praktisch 24 Stunden am Tag in den Räumen eingeschlossen werden. Häftlinge müssten sich auch im Freien bewegen können, schon aus gesundheitlichen Gründen. Auch der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter verlange dies „ohne Ausnahme“, heißt es in dem Bericht. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) verwies in seiner Antwort darauf, dass eine pauschale Erlaubnis von Freigang für Häftlinge in BGH-Zellen „nicht geboten“ sei. So gebe es bei hochaggressiven Gefangenen sonst die Gefahr von Angriffen auf das Personal.

In seinem Schreiben verwies Eisenreich zudem auf die noch laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Augsburger Ermittlungsbehörde hatte die JVA im Vorort Gablingen im Herbst mehrfach durchsuchen lassen. Es gibt den Verdacht, dass Gefangene dort erniedrigt worden sein könnten oder Beamte gewalttätig geworden sein könnten. Es wird gegen mehr als ein Dutzend Bedienstete ermittelt, darunter auch die frühere Anstaltsleitung. Zudem gibt es den Verdacht, dass in der JVA Beweismaterial vernichtet worden sein könnte.

Auch früher bereits Kritik an anderer JVA

Die Anti-Folter-Kommission hatte das erst knapp zehn Jahre alte Gefängnis im vergangenen Jahr zum zweiten Mal besucht. Die erste Kontrolle dort fand 2022 statt, damals standen im Jahresbericht der Kommission keine negativen Anmerkungen über Gablingen. Dafür stand damals eine heftige Kritik an der JVA im oberbayerischen Bernau in der Dokumentation. Dort ging es ebenfalls um die gesicherten Zellen.

Häftlinge seien in Bernau dort teils Monate lang eingesperrt – bis zu 92 Tage lang. Die Betroffenen hätten mitunter wochenlang nicht einmal eine Matratze zum Liegen gehabt, hieß es über die damaligen Zustände in Bernau. Die Kommission kritisierte menschenunwürdige Verhältnisse und forderte den Freistaat auf, die Unterbringung zumindest in einem Gebäude der JVA Bernau „umgehend zu unterlassen“.

Bayerische Kommission soll Konsequenzen erarbeiten

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in Wiesbaden ist eine unabhängige Einrichtung zur Prävention von Folter und Misshandlung in der Bundesrepublik. Die Vereinten Nationen verlangen, dass es solche Gremien in den Mitgliedstaaten gibt. Hauptaufgabe der Anti-Folter-Kommission ist die Kontrolle der Gefängnisse. Die Berichte gehen an die Bundes- und Landesregierungen sowie die Parlamente.

Der Skandal von Gablingen hat mittlerweile dazu geführt, dass das Ministerium in München unabhängig von den strafrechtlichen Ermittlungen ein Aufklärungsgremium eingesetzt hat. Dieses Gremiums soll bis Ende 2025 auch Konsequenzen für den gesamten Strafvollzug in Bayern formulieren. Der pensionierte Richter Peter Küspert, ehemals unter anderem Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, leitet die Gruppe. (dpa/lby)